Winterreifen: Was ist Pflicht und was ist Kür?

Der Winter naht – wenn man den Wetterfröschen Glauben schenken darf, steht der Wintereinbruch in Deutschland kurz bevor. Saukalt ist es ja bereits. In den einschlägigen Regionen im Harz oder in Bayern war Frau Holle auch schon fleißig. Da man gerade in dieser Jahreszeit auf sein Auto nicht verzichten möchte, sollte dieses entsprechend verkehrssicher sein. Einer besonderen Aufmerksamkeit wird dabei den Reifen zuteil. Zwar kennt jeder die Regel aus dem Volksmund „Winterreifen von O bis O“ (also von Oktober bis Ostern) – doch wie die Rechtslage konkret aussieht, wissen nur die Wenigsten. Aus diesem Grund soll der nachfolgende Beitrag ein wenig Licht ins Dunkel bringen und über die wichtigsten rechtlichen Grundlagen aufklären.

Muss ich überhaupt Winterreifen aufziehen lassen?

Dabei soll die wichtigste Frage gleich zu Beginn geklärt werden: Sind Winterreifen in Deutschland überhaupt Pflicht? Grundsätzlich gibt es keine gesetzliche Grundlage, die Sie in einem bestimmten Zeitraum verpflichtet, Winterreifen auf ein Fahrzeug aufziehen zu lassen. Wenn Sie Ihr Auto also im Winter beziehungsweise bei entsprechenden Witterungsbedingungen nicht bewegen, benötigt dies auch keine Winterreifen. Bedeutung hat das vor allem für traditionell schneearme Regionen oder für Zweitwagen. Vielmehr regelt § 2 Abs. 3a Straßenverkehrsordnung (StVO), dass der Führer eines Kraftfahrzeuges dieses bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur fahren darf, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Abs. 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) genügen.

Vereinfacht gesagt bedeutet das: Wenn die Witterungsverhältnisse es erfordern, darf ein Auto nur mit entsprechenden Reifen gefahren werden (welche Reifen dies genau sind, erläutere ich weiter unten im Beitrag). Es gibt also gerade auch keinen konkreten Zeitraum, der das Aufziehen von Winterreifen aus rechtlicher Sicht erforderlich macht. Vielmehr spricht man in Deutschland von der sogenannten „situativen Winterreifenpflicht“. Es sind also grundsätzlich Reifen zu verwenden, die für die Witterungs- und Straßenbedingungen geeignet sind. Würde also das unwahrscheinliche Szenario eines heftigen Schneefalls im Juni eintreten, dürfte auch dann nur mit Winterreifen gefahren werden.

Welche Reifen gelten als wintertauglich im Gesetz?

Diese Frage ist deutlich schwerer zu beantworten, als es auf den ersten Blick scheint, da sich hier zuletzt im Jahr 2017 zahlreiche Änderungen ergeben haben. Der Gesetzgeber verlangt einen Reifen mit dem Alpine-Symbol (dies ist ein Berg, der eine Schneeflocke umkreist).

Die bis zu dieser Änderung tauglichen Reifen mit einer „M+S“-Kennzeichnung erfüllen die gesetzlichen Anforderungen nun jedoch nicht mehr. Allerdings existiert insoweit eine Übergangsregelung, die es Autofahrern erlaubt, „M+S“-Reifen, die bis zum 31.12.2017 hergestellt wurden, noch bis zum 30.09.2024 als Winterreifen zu verwenden. Das Herstellungsdatum (DOT-Nummer) ist auf den Reifen gedruckt – bei Zweifeln sollten Sie sich besser entsprechend beraten lassen. Die Winterreifenpflicht gilt für PKWs, LKWs und Busse (dabei gibt es spezielle Regelungen für Sonderfälle wie Geländewagen oder Anhänger) – Motorräder und Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft sind hingegen explizit ausgenommen.

Wichtig: Die gesetzliche Mindestprofiltiefe beträgt sowohl bei Sommerreifen als auch bei Winterreifen 1,6 Millimeter. Experten raten jedoch dringend dazu, Reifen zu verwenden, die noch mindestens 4mm Profiltiefe aufweisen. Neue Reifen verfügen über ein Profil von 7 bis 9mm.

Welche Strafen drohen bei der Fahrt mit Sommerreifen im Winter?

Wer sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält, wird dies schnell im Geldbeutel spüren. So werden bei einer Fahrt mit Sommerreifen 60 Euro fällig, zusätzlich wird ein Punkt verhängt. Erfolgt die Fahrt mit Behinderung (80 Euro), mit Gefährdung (100 Euro) oder sogar mit einem Unfall (120 Euro), erhöht sich die Strafe entsprechend. Ebenfalls 60 Euro werden zudem fällig, wenn die Winterreifen nicht mehr die erforderliche Mindestprofiltiefe aufweisen.

Wichtig: Neu ist, dass auch der Halter, der die Inbetriebnahme ohne die erforderliche Bereifung mit dem Alpine-Symbol anordnet oder zulässt, mit einer Geldbuße von 75 Euro und der Eintragung eines Punkts im Fahreignungsregister zu rechnen hat.

Versicherungsfragen bei der Nutzung von Sommerreifen statt Winterreifen

Hier muss zwischen der Kasko- und der Haftpflichtversicherung unterschieden werden. Um es kurz zu machen: Ärger droht in jedem Fall. Kommt es wegen der Benutzung der Sommerreifen zu einem Unfall, führt dies regelmäßig zu einer erheblichen Leistungskürzung der Kaskoversicherung wegen grober Fahrlässigkeit (§ 81 VVG).

Auch in der Haftpflichtversicherung hat die Benutzung von Sommerreifen auf Schnee erhebliche Auswirkungen, da hier eine Mithaftung des Geschädigten aufgrund einer erhöhten Betriebsgefahr droht. So haben Gerichte bereits eine Mithaftung des Halters (§ 7 StVG) von 20 Prozent angenommen, auch wenn der Unfallgegner durch ein eigenes Verschulden den Unfall verursacht hat.

Auch der Verschuldensmaßstab des Fahrers (§ 18 StVG) kann zu einer Mithaftung führen, da ein objektiver Verstoß gegen § 2 Abs. 3a StVO bei der Benutzung von Sommerreifen auf Schnee vorliegt. Dieser objektive Verstoß führt zu einer Verschuldensvermutung, wobei dem Fahrer eine Entlastungsmöglichkeit geboten ist. Abzustellen ist also darauf, ob die Gefahrensituation für den Durchschnittsfahrer erkennbar war. Nur wenn dies verneint wird oder nachgewiesen werden kann, dass die Benutzung der Sommerreifen für den Unfall nicht kausal war, kommt es regelmäßig nicht zur Mithaftung.

Fazit zur Wahl der Reifen

Nachlässigkeiten oder Bequemlichkeit bei der Wahl der Reifen lohnen sich nicht und können schnell unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Ist gegen Sie ein Bußgeldbescheid ergangen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren, um eine erste rechtliche Einschätzung zu erhalten.

Dieser Beitrag ist auch als Rechtstipp auf der Plattform anwalt.de erschienen.