Das Jugendstrafrecht bezeichnet als Sammelbegriff die für Jugendliche geltenden besonderen strafrechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Vorschriften. Insoweit bestehend erhebliche Unterschiede zum Erwachsenenstrafrecht. Vereinfacht gesagt: Während im Erwachsenenstrafrecht vor allem die Tat im Fokus steht, richtet das Jugendstrafrecht das Hauptaugenmerk auf den Täter. Hier steht vor allem der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Der Grundsatz lautet also regelmäßig „Erziehung vor Strafe“.
Die wichtigste Rechtsquelle ist das Jugendgerichtsgesetz (JGG), ein speziell auf die Bedürfnisse von Jugendlichen zugeschnittenes Gesetz. Dieses regelt den Umgang mit Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden. Dabei sind dort nicht bestimmte Delikte normiert, es gelten insoweit dieselben Straftatbestände, die im Strafgesetzbuch (StGB) verankert sind. Vielmehr regelt das JGG vor allem die Sanktionierung und die Vollstreckung bei Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende.
Um den Anwendungsbereich des JGG existieren eine Vielzahl von Missverständnissen. Denn auch ein nach dem Gesetz Volljähriger kann nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Als Jugendlicher gilt, wer zum Tatzeitpunkt mindestens 14 aber noch nicht 18 Jahre war. Wer im Tatzeitpunkt mindestens 18 aber noch keine 21 Jahre ist, gilt als Heranwachsender. Während für Jugendliche stets das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt, ist bei Heranwachsenden entscheidend, ob diese in ihrer Entwicklung einem Jugendlichen gleichstehen oder es sich bei der Tat um eine typische Jugendverfehlung handelt. Entscheidend ist insoweit die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters unter Berücksichtigung seiner Umweltbedingungen und seiner sittlichen und geistigen Entwicklung. Zur Beurteilung wurden die Marburger Kriterien entwickelt, auf die häufig zurückgegriffen wird. Jugendverfehlungen zeichnen sich durch den Ausdruck eines typisch jugendlichen Protestes oder der Abgrenzung zu Erwachsenen aus. Auch schwere Straftaten können mitunter Ausdruck eines jugendtypischen Entwicklungsstadiums sein. Von großer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang der Bericht der Jugendgerichtshilfe, der einen konkreten Vorschlag hinsichtlich dieser Entscheidung beinhalten soll. Die Entscheidung hat unter anderem Auswirkungen auf das Strafmaß, da die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten.
Ist unsicher, ob die Tat im Jugend- oder Heranwachsendenalter begangen wurde, so ist im Zweifel Jugendstrafrecht anzuwenden. Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nicht strafmündig. Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten bestehen besondere Regeln für Kinder und Jugendliche, sodass es der Anwendung des JGG nicht bedarf.
Wie oben bereits angedeutet, steht im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Der Entwicklungsprozess der Jugendlichen und Heranwachsenden soll durch das Jugendstrafrecht positiv beeinflusst werden. Staatsanwaltschaft und Gericht sollen auf ein breites Band von Sanktionen zurückgreifen können, um individuell auf den Jugendlichen einwirken zu können. Zu harte Maßnahmen, die den Jugendlichen in seiner Entwicklung beeinträchtigen könnten, sollen unterbleiben.
Die erzieherische Einwirkung ist insbesondere aufgrund der leichten Beeinflussbarkeit von Jugendlichen notwendig. Nicht selten geraten Jugendliche mit der Justiz in Konflikt, weil sie sich von ihrer Gruppe zu einer Straftat verleiten lassen haben. Insbesondere leichtere Delikte wie Ladendiebstähle, Schwarzfahren, Beleidigungen oder auch einfache Körperverletzungen resultieren aus einem solchen Gruppenzwang. In einem solchen Fall ist es besonders wichtig, dass auf den Jugendlichen individuell eingegangen werden kann, um ihn aus dieser Gruppendynamik zu befreien.
Auch können Jugendliche häufig die Tragweite ihrer Handlungen noch nicht richtig überblicken und einordnen. Um die Zukunft durch zu harte Maßnahmen nicht zu gefährden, sollen auch aus diesem Grund nicht die strengen Maßnahmen aus dem Strafgesetzbuch gegen Jugendliche verhängt werden.
Die Beteiligten am Jugendstrafverfahren sind der Jugendrichter, die Jugendschöffen (Laienrichter) und der Jugendstaatsanwalt. Alle sollen nach dem Jugendgerichtsgesetz erzieherisch befähigt sein und in der Jugenderziehung erfahren sein. Eine wichtige Rolle kommt zudem der Jugendgerichtshilfe zu. Sie begutachtet den Beschuldigten oder Angeklagten hinsichtlich seiner Entwicklung und Lebensumstände und wird vom Gericht in entscheidenden Verfahrenssituationen um eine Stellungnahme oder einen Vorschlag gebeten.
Als Sanktionen kommen die Verhängung von Erziehungsmaßregeln, die Verhängung von Zuchtmitteln, die Aussetzung der Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung und die Verhängung einer Jugendstrafe mit und ohne Bewährung in Betracht.
Erziehungsmaßregeln sind Weisungen und Anordnungen, die auch bei einer Einstellung oder dem Absehen von der Strafverfolgung ausgesprochen werden können. Sie sollen die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern und kommen vor allem bei Ersttätern in Betracht. Mögliche Weisungen sind zum Beispiel der Beginn einer Ausbildung oder das Unterstellen unter einen Betreuungshelfer. Im Falle des Verstoßes gegen Weisungen kann ein Ungehorsamsarrest von bis zu vier Wochen verhängt werden.
Kommen Erziehungsmaßregeln aufgrund der Schwere der Tat oder der Vorstrafen des Beschuldigten nicht mehr in Betracht, sollen Zuchtmittel verhängt werden. Zuchtmittel sind Verwarnungen, Auflagen und Jugendarrest. Sie gelten der Ahndung, also Bestrafung des Jugendlichen für seine Tat. Die Verwarnung wird meist mit einer Erziehungsmaßregel kombiniert, da sie ansonsten nur eine förmliche Zurechtweisung des Täters durch den Richter ist. Als Auflagen kommen die Wiedergutmachung, eine Entschuldigung oder die Erbringung von Arbeits- oder Geldleistungen in Betracht. Auch hier kann ein Ungehorsamsarrest verhängt werden. Der Arrest, wie auch der Jugendarrest, setzt auf Abschreckung und kann als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest ausgestaltet werden. Beim Jugendarrest soll jedoch immer Rücksicht auf die Ausbildungszeiten des Jugendlichen genommen werden, damit keine wichtigen Unterrichtseinheiten verpasst werden.
Nur wenn auch diese Maßnahmen nicht mehr in Betracht kommen, soll eine Jugendstrafe in Form des Freiheitsentzugs verhängt werden. Sie ist das letzte Mittel – „Ultima ratio“ – und subsidiär zu allen anderen Sanktionen. Das Gesetz nennt als Voraussetzung für eine Jugendstrafe, dass die Schwere der Schuld oder schädliche Neigungen, also die Prognose, dass erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel die Gefahr begründen, dass der Täter ohne längere Gesamterziehung weitere Straftaten begehen wird. Im Jugendstrafrecht gilt dabei ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren. Eine Aussetzung zur Bewährung ist möglich, wenn die Strafe weniger als zwei Jahre beträgt.
Bei Jugendlichen ist eine Strafverteidigung aufgrund der Bandbreite der Sanktionsmaßnahmen nicht zu unterschätzen. Insbesondere im Hinblick auf die Zukunft des Jugendlichen ist eine interessengerechte Vertretung angezeigt, um zu harte Maßnahmen zu verhindern und den Lebensweg nicht zusätzlich zu erschweren.
Als erfahrener Strafverteidiger auf diesem Gebiet bin ich mir der Sensibilität der Thematik sehr bewusst und werde Ihre Interessen mit der notwendigen Verschwiegenheit und Akribie vertreten. Das Jugendstrafrecht bietet zahlreiche weitere Einstellungsmöglichkeiten neben denen der Strafprozessordnung, die mit einer frühzeitigen Beauftragung angestrebt werden können.