Cannabis-Reform: Fette Tüte oder laues Lüftchen?

Der nachfolgende Beitrag erscheint demnächst im Regionalmagazin Stadtglanz (Ausgabe 28, Herbst 2023).
Vorab schon einmal im Volltext hier:


Abends etwas „Dope kaufen“ und gemütlich eine „Tüte durchziehen“? Bislang ein wenig Nervenkitzel, bald wohl nichts mehr dabei: Das Bundeskabinett hat am 16.08.2023 den Entwurf eines „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG) beschlossen. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis sowie der private Anbau von bis zu drei Pflanzen werden für Erwachsene – sollte der Entwurf tatsächlich in Gesetzeskraft erwachsen – zukünftig straffrei sein. Die verfolgten Ziele sind dabei vor allem, die Qualität von Cannabis staatlich zu kontrollieren, den illegalen Cannabis-Markt einzudämmen und damit zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen sowie die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention insbesondere von Kindern und  Jugendlichen zu stärken. Kann dies durch die geplante Gesetzesänderung tatsächlich erreicht werden? Aufgrund der Komplexität der Materie ist hier nur ein kurzer Anriss möglich.

Cannabis ist nach Erhebungen des Bundesgesundheitsministeriums die mit Abstand am häufigsten (noch) illegale Droge in Deutschland. 8,8% der Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren haben in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert – das entspricht rund 4,5 Mio. Menschen. Ob diese Erhebung zutreffend ist, ist natürlich nicht abschließend zu klären – man darf durchaus von einer höheren Dunkelziffer ausgehen.

Zumindest ist Cannabis gerade bei der jüngeren Generation weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert.

Verkaufsmöglichkeiten?

Wie aber an den „Stoff“ kommen? Der Gesetzesentwurf basiert auf einem „Zwei-Säulen-Modell“, wobei in der ersten Säule der private Anbau von bis zu drei Pflanzen erlaubt ist, es aber zunächst keinen legalen Handel und Verkauf geben wird, sondern sich vielmehr Vereine gründen sollen, die nach Erlaubniserteilung durch die zuständigen Behörden Hanfpflanzen anbauen dürfen, um sodann an ihre Mitglieder Blüten und Hanf abgeben zu können. Erst in der zweiten Säule soll sodann die Abgabe in lizensierten Fachgeschäften möglich gemacht werden, wobei dies im Rahmen eines Modellvorhabens geschehen soll, das wissenschaftlich konzipiert, regional begrenzt und zeitlich befristet sein soll.

Die zunächst avisierte erste Säule ist kompliziert ausgestaltet und mit strengen Vorgaben versehen: Erlaubt ist die monatliche Abgabe von jeweils 50g an bis zu 500 Mitglieder, bei unter 21-Jährigen hingegen lediglich von 30g mit einem eher geringen Wirkstoffgehalt von bis 10% THC-Gehalt. Ein Präventionsbeauftragter ist genauso erforderlich wie ein Jugendschutzkonzept, Werbung ist verboten, Konsum in den Clubs und in 200 Metern Abstand davon untersagt, zu Kinder- und Jugendeinrichtungen gelten genauso Abstandsregelungen wie zu Kinderspielplätzen und auch eine Einsicht in die Clubs ist ebenfalls nicht erlaubt.

All diese Vorgaben müssen natürlich überprüft werden, sodass die Clubs zu einem „Bürokratiemonster“ verkommen könnten. Es dürfte erheblichen staatlichen Personalaufwand erfordern, beispielsweise die Qualität des angebauten Cannabis zu überprüfen. Wahrscheinlich wird erst mit der Zeit eine gewisse „Normalität“ einkehren können. Das Problem der Datensicherheit und möglicher Weitergabe von Konsumentennamen an staatliche Stellen – z.B. an Fahrerlaubnisbehörden – muss im Blick gehalten werden. Auch die Preisgestaltung der Clubs ist nicht völlig geklärt, was das Risiko birgt, dass zumindest Starkkonsumenten wieder auf den Schwarzmarkt ausweichen (müssen). Eine völlige Eindämmung des Schwarzmarktes dürfte daher eher fernliegend sein.

Tatsächliche Entlastung der Justiz?

Als Argument für die (Teil-)Legalisierung von Cannabis wird auch immer wieder die Entlastung der Justiz genannt, wobei diesbezüglich der Bundesjustizminister Buschmann anmerkte, dass eine Entlastung zu erwarten sei, da Menschen nunmehr auf legale Weise Cannabis konsumieren können, und daher die Fälle, die vor Gericht landen würden, abnähmen. Hiergegen wandte Frank Bornemann, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, ein, dass es noch nie große Probleme wegen kleinerer Mengen Cannabis gegeben habe, da derartige Verfahren von der Staatsanwaltschaft zumeist bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt wurden oder von der Verfolgung abgesehen worden sei und daher nicht vor Gericht gelandet wären. Weiter merkte er an, dass auch die Arbeit der Polizei nicht sonderlich erleichtert werde, da eine Kontrolle nach wie vor erforderlich sei und Beamten beispielsweise eine Waage herausholen müssten, um zu überprüfen, ob z.B. 25g oder 26g im Besitz einer Person seien.

Fakt ist jedoch, dass die Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft bei Besitz von Kleinstmengen bislang nur einem Ermessen unterliegen – nach Gesetzeskraft besteht Straflosigkeit. Deshalb wird eine – zumindest geringfügige – Entlastung eine wohl sichere und begrüßenswerte Folge der (Teil-)Legalisierung von Cannabis sein.

Gefahren, aber auch Chancen durch Cannabiskonsum?

Bundesgesundheitsminister Lauterbach kommentierte den Gesetzesentwurf – durchaus mit Eigenlob, aber gewohnt nicht unvorsichtig – wie folgt: „Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem.“ Der maßgeblich für den Gesetzesentwurf zuständige Bundesminister verkennt dabei (natürlich), dass der Konsum von Cannabis – wie sogar auch von sog. „harten Drogen“, wie z.B. Kokain und Heroin – seit jeher straflos war und bleiben wird. Insofern ändert sich durch das Gesetzesvorhaben nichts.

Die Gefahren bleiben, meint die Ärztekammer Niedersachsen und weist darauf hin, dass Cannabis alles andere als eine ungefährliche Droge sei. So habe sich in anderen Ländern, die Cannabis bereits legalisiert haben – z.B. Portugal, den USA oder Kanada – gezeigt, dass durch den Anstieg der Konsumenten um 30% quasi einhergehend auch die Anzahl der psychischen Erkrankungen um 25% gestiegen sei.

Hiergegen wird vielfach eingewandt, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen ohnehin seit Jahren zunimmt. Wie hoch der genaue Anteil von Erkrankungen, die durch Cannabiskonsum ausgelöst oder gar verursacht worden sind, dabei ist, könne nicht sicher verifiziert werden.

Andererseits ist der medizinische Nutzen von Cannabis jetzt unbestreitbar: Viele Schmerzpatienten erhalten bereits per Rezept ein für sie hergestelltes Arzneimittel in der Apotheke, wobei sich Ärzte mit der Verschreibung oftmals schwertun. Viele Menschen könnten so von Cannabis profitieren, sie finden besser in den Schlaf und sind ausgeglichener.

Der Vergleich von Cannabis zum eher aggressiv machenden Alkohol drängt sich natürlich auf: Während es in Deutschland mit relativ wenig Geld möglich ist, sich im Supermarkt um die Ecke mit (hart-)alkoholischen Getränken einzudecken und bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, ist selbst der Besitz von kleineren Mengen Cannabis bislang strafbar. Insofern ist auch nach der Gesetzesänderung die Eigenverantwortung aller Menschen gefragt, sich noch bewusster mit dem auseinanderzusetzen, was sie konsumieren.

Fazit

Der Gesetzesentwurf geht gerade im Hinblick auf die hohen Konsumentenzahlen zumindest in die richtige Richtung. Die aktuelle Gesetzeslage steht im Widerspruch zur tatsächlichen Lebensrealität in Deutschland. Die bislang vorherrschende strafrechtliche Verfolgung des Besitzes von Kleinstmengen wirkte zuletzt – gelinde formuliert – nahezu albern.

Ob der Schwarzmarkt durch die unklare Preisgestaltung tatsächlich ausgedünnt werden kann und ob möglicherweise psychische Erkrankungen durch höhere Konsumentenzahlen deutlich zunehmen werden, bleibt abzuwarten. Jedermann sollte sich jedoch vergegenwärtigen, dass Cannabis – ob legal oder illegal – nicht ungefährlich ist und die Nebenwirkungen im schlimmsten Falle fatal sein können, ebenso wie das beispielsweise bei Alkohol der Fall ist.

Bild: chrisbeez via Pixabay