Strafbefehl erhalten – was nun?

Sie haben einen Strafbefehl erhalten und wissen nicht, wie Sie sich verhalten sollen? Damit sind Sie nicht alleine – denn immer wieder kommt es zu solchen oder ähnlichen Situationen. Doch was ist ein Strafbefehl überhaupt? Wie verhalten Sie sich, wenn plötzlich ein Strafbefehl in Ihren Briefkasten flattert? Sollten Sie einen Anwalt hinzuziehen? Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen? Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen einen Überblick verschaffen und Ihnen wichtige Informationen und Handlungshilfen mit an die Hand geben.

Grundsätzliches zum Strafbefehl

Wenn Sie mit dem Begriff Strafbefehl nicht sofort etwas Konkretes anfangen können, müssen Sie sich dafür keineswegs schämen: Denn das geht fast allen Nicht-Juristen so. Das Strafbefehlsverfahren ist ein vereinfachter Weg, um weniger „schlimme“ Straftaten schneller und unkomplizierter abhandeln zu können. Das soll die Gerichte und Staatsanwaltschaften entlasten. Besonders ist dabei vor allem, dass eine Verurteilung ohne mündliche Verhandlung – also in einem rein schriftlichen Verfahren – ergehen kann. Die gesetzlichen Regelungen finden sich in den §§ 407 ff. der Strafprozessordnung (StPO). Auch für den Verurteilten KANN ein Strafbefehl vorteilhaft sein. Denn dieses Verfahren ist weit weniger kostenintensiv als eine Hauptverhandlung und findet zudem im Zweifel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Lediglich Vergehen können per Strafbefehl geahndet werden. Das sind nach § 12 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) alle Straftaten, die eine Mindeststrafe von unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe als Strafrahmen aufweisen. Straftaten, die mit einem Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, nennt man in der juristischen Fachsprache Verbrechen. In der Praxis soll mit dem Strafbefehlsverfahren vor allem die sogenannte Massenkriminalität bekämpft werden. Typische Delikte sind etwa das „Schwarzfahren“, Diebstähle, die einfache Körperverletzung, Sachbeschädigungen, Trunkenheit im Verkehr oder die „Fahrerflucht“.

In den allermeisten Fällen enthält der Strafbefehl eine Geldstrafe, die sich aus einer Anzahl von Tagessätzen (abhängig vom Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat) mit einer bestimmten Tagessatzhöhe (abhängig vom Einkommen) zusammensetzt (§ 40 StGB). Möglich sind zum Beispiel aber auch ein Fahrverbot oder das Entziehen der Fahrerlaubnis als Nebenfolgen. Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, kann sogar auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr – ausgesetzt zur Bewährung – entschieden werden. Der gesamte Katalog möglicher Sanktionen ergibt sich aus § 407 Abs. 2 StPO.

Ablauf: Wodurch erhalte ich einen Strafbefehl?

In aller Kürze will ich auch noch auf den konkreten Ablauf eingehen: Ein Strafbefehl wird von dem zuständigen Staatsanwalt bei dem entsprechenden zuständigen Amtsgericht beantragt. Hat der bearbeitende Richter keine Bedenken, erlässt er den Strafbefehl, andernfalls beraumt er eine Hauptverhandlung an und alles geht den „normalen“ Weg. In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere Besonderheit wichtig: Denn das Gericht muss von der Schuld des Täters nicht abschließend überzeugt sein. Vielmehr genügt ein sogenannter hinreichender Tatverdacht. Hinreichender Tatverdacht ist immer dann gegeben, wenn bei vorläufiger Beurteilung der Beweissituation eine spätere Verurteilung wahrscheinlich ist. Vereinfacht gesagt: Eine Verurteilung muss bei vorläufiger Einschätzung der Sachlage wahrscheinlicher sein als ein Freispruch. Der Strafbefehl enthält dabei eine sogenannte Geständnisfiktion. Das bedeutet konkret, dass so getan wird, als hätten Sie den vorgeworfenen Sachverhalt gestanden, dafür erhalten Sie auch eine (nach Ansicht der Justiz) etwas geringere Strafe.

Anspruch auf rechtliches Gehör?

Immer wieder erhalte ich Anfragen von Mandanten, wie es denn sein könne, dass sie einen Strafbefehl erhalten haben, ohne vorher angehört worden zu sein. In dieser Hinsicht muss man differenzieren. Grundlegend besteht ein grundgesetzlich verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör. Oftmals kommt dann jedoch an das Tageslicht, dass die Beschuldigten im Vorfeld eine Vorladung von der Polizei erhalten hatten. Macht der Beschuldigte hiervon keinen Gebrauch, dann gehen die Strafverfolgungsbehörden davon aus, dass der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und damit auf sein Recht auf Anhörung verzichtet. Für die Staatsanwaltschaft ist damit der Weg frei, die Sache nach Aktenlage zu entscheiden – ein Strafbefehl ist möglich. Teilweise ergehen jedoch tatsächlich Strafbefehle, ohne dass dem Beschuldigten die Möglichkeit zur Äußerung gegeben wurde. In diesen Fällen wurde er nicht angehört, sodass das Recht auf Gehör grundsätzlich verletzt wurde. Nützen tut das dem Beschuldigten allerdings nichts. Denn im Straf(befehls)verfahren führt nicht jeder Verfahrensfehler dazu, dass eine Strafe unzulässig wird oder – in diesen Fällen – der Strafbefehl (hier wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs) aufgehoben werden müsste. Verfahrensfehler können nämlich – zumindest teilweise – geheilt werden. Und die Möglichkeit der Heilung sehen die Gerichte darin, dass der Beschuldigte gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen kann – dann wird das Gericht nämlich Termin zur Hauptverhandlung bestimmen, sodass rechtliches Gehör nachträglich gewährt wird. Noch einmal auf den Punkt gebracht: Mit dieser Argumentation lässt sich ein Strafbefehl also nicht angreifen.

Möglichkeiten

Ist ein Strafbefehl gegen Sie ergangen, haben sie zunächst zwei Reaktionsmöglichkeiten. Entweder Sie akzeptieren den Strafbefehl oder Sie legen Einspruch gegen diesen ein. Natürlich lässt sich nicht pauschal beantworten, ob ein Einspruch in Ihrem individuellen Fall sinnvoll ist – das hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Sachverhalts ab. Aus meiner Praxiserfahrung können mit einem Einspruch jedoch häufig zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden. Zudem sollten Sie folgenden Fakt bewusstmachen: Unternehmen Sie nichts gegen den Strafbefehl, sind Sie verurteilt – genau so, als ob Sie vor Gericht gestanden hätten. Je nach Höhe der Geldstrafe (ab 91 Tagessätzen) sind Sie sogar „offiziell“ vorbestraft.

Der Einspruch (§ 410 StPO) muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls bei Gericht – dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat – eingehen. Anschließend wird eine Hauptverhandlung anberaumt, bei der der Angeklagte auch grundsätzlich anwesend sein muss.

Eine wichtige Option besteht darin, den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken. Konkret bedeutet das, dass Sie sich mit dem Tatvorwurf grundsätzlich einverstanden erklären, mit der Strafhöhe aber nicht einverstanden sind. Ein Beispiel zur Anschauung: Sie haben einen Strafbefehl wegen einer Sachbeschädigung über 100 Tagessätze erhalten – damit sind Sie vorbestraft. Der Einspruch kann nun eingelegt und auf den Rechtsfolgenausspruch mit dem Ziel beschränkt werden, die Strafe unter die „magische“ Grenze von 90 Tagessätzen zu „drücken“ und gleichzeitig den Tatvorwurf zu gestehen. Sie können den Einspruch auch auf die Tagessatzhöhe beschränken, um eine geringere Strafe als die in dem Strafbefehl enthaltene zu erreichen. In vielen Fällen sind die Gerichte und die Staatsanwaltschaften bei einem solchen Vorgehen durchaus gesprächsbereit. Möglich ist es auch, den Einspruch auf einzelne Sachverhaltspunkte zu beschränken, die nach Ihrer Sicht nicht korrekt sind. Daneben bestehen zahlreiche weitere prozessuale Möglichkeiten und Optionen, die ich Ihnen konkret auf Ihren Fall bezogen gerne erläutere.

Der Vollständigkeit halber möchte ich Ihnen nachfolgend darstellen, wie sich die Tagessatzhöhe bestimmt beziehungsweise wie diese ermittelt wird. Grundsätzlich wird das Nettogehalt durch 30 geteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wird gerade bei unteren Einkommensklassen aber auch nach den sozialen Verhältnissen des Angeschuldigten bemessen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Betrag ermittelt wird, der monatlich tatsächlich zur Verfügung steht. Grundlage ist das Nettoeinkommen, berücksichtigt werden jedoch Belastungen, wie beispielsweise Unterhalt an nicht im Haushalt lebende Personen oder ähnliche Belastungen. Eine Tagessatzhöhe von 15 € entspricht circa den Leistungen und Ansprüchen im Rahmen des Arbeitslosengeldes 2 („Hartz 4″). Sofern das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen noch unter dieser Grenze liegt, was jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein wird, wird die Tagessatzhöhe noch weiter abgesenkt.

Zwar ist eine Hauptverhandlung nach einem Einspruch der Regelfall, sie ist jedoch nicht alternativlos. In ganz seltenen Fällen wird der Strafbefehl zurückgenommen, deutlich praxisrelevanter ist jedoch eine Einstellung nach den §§ 153 ff. StPO. So ist eine Einstellung wegen Geringfügigkeit oder auch gegen Auflagen und Weisungen (zum Beispiel Zahlung einer Geldsumme) möglich. Häufig kann eine solche Einstellung von einem Rechtsanwalt auch auf dem kurzen Dienstweg – also etwa mittels eines Telefonats – erreicht werden, insbesondere, wenn durch die Zahlung eine Schadenswiedergutmachung erfolgt. Tatsächlich sind Einstellungen in der Praxis keine Seltenheit. Für den Angeschuldigten ergeben sich so gleich zwei Vorteile: Zum einen ist der Strafbefehl aus der Welt (und mit ihm ggf. auch eine Vorstrafe), zum anderen erspart er sich eine öffentliche Hauptverhandlung.

Risiken eines Einspruchs

Ein Einspruch gegen einen Strafbefehl birgt jedoch auch Risiken. Denn ein Verschlechterungsverbot dergestalt, dass die in dem Strafbefehl enthaltene Strafe nach einem Einspruch nicht erhöht werden darf, existiert nicht. Wird nach einem Einspruch also eine gerichtliche Hauptverhandlung (streitig) durchgeführt, so kann die Strafe durchaus auch höher ausfallen, als im Strafbefehl verfügt. Die oben beschriebene Geständnisfiktion besteht dann ja gerade nicht mehr. Selbstverständlich erhöhen sich auch die Kosten des Verfahrens. Zudem muss je nach Tatvorwurf auch beachtet werden, dass eine Hauptverhandlung öffentliches Aufsehen mit sich bringen kann. Oft vergessen wird zudem ein weiterer Aspekt: Die Staatsanwaltschaft beziehungsweise das Gericht schätzt Ihr Einkommen bei Erlass des Strafbefehls, da Ihr tatsächliches Einkommen nicht bekannt ist. So kann es in der Hauptverhandlung passieren, dass sich herausstellt, dass dieses zu niedrig angesetzt wurde. Gegebenenfalls kann Ihnen ein Einspruch somit teuer zu stehen kommen, da die Staatsanwaltschaft nunmehr nicht mehr an den Strafbefehl gebunden ist und ihr wahres Einkommen zugrundelegen kann. Notwendig ist also stets eine sorgfältige Analyse unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls.

Einschaltung eines Rechtsanwalts

Haben Sie einen Strafbefehl erhalten, sollten Sie so schnell wie möglich einen Strafverteidiger beziehungsweise einen Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Strafrecht hinzuziehen. Ansonsten laufen Sie Gefahr, die Einspruchsfrist zu verpassen. Sie sind nicht verpflichtet, den Einspruch durch einen Rechtsanwalt einlegen zu lassen oder sich überhaupt eines rechtlichen Beistandes zu bedienen. Ohne einen solchen riskieren Sie jedoch, der Übermacht von Gericht und Staatsanwaltschaft hilflos gegenüber zu stehen. Nur mit profundem prozessualen Kenntnissen und einer fachlichen Einschätzung der Rechtslage kann Ihr Fall optimal betreut werden.

Die Praxis zeigt, dass Einsprüche ohne Anwalt in den seltensten Fällen erfolgreich sind. Nicht selten werden Amtsrichter und Staatsanwälte „ungemütlich“, wenn der Einspruch aus ihrer Sicht mutwillig oder unbegründet eingelegt wird. Teilweise wird die Geldstrafe aus „Erziehungsgründen“ dann sogar noch erhöht. Das können Sie mit Einschaltung eines Strafverteidigers vermeiden.

Zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren und schildern Sie mir Ihren individuellen Sachverhalt. Ich werde in der Regel zunächst Akteneinsicht beantragen und gebe Ihnen nach Erhalt eine fachlich fundierte Ersteinschätzung und berate und informiere Sie über rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung Ihrer Bedürfnisse und Wünsche.

Dieser Beitrag ist auch als Rechtstipp auf der Plattform anwalt.de erschienen.