Neuregelungen zur Vermögensabschöpfung

Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. 2017, I S. 872), in Kraft getreten am 01.07.2017, haben sich umfangreiche Änderungen im materiellen und prozessualen Recht ergeben. Grundsätzlich regelt die Vermögensabschöpfung den staatlichen Zugriff auf den durch eine Straftat erlangten Gewinn. Denn deliktisch erlangte Vermögenswerte sollen nicht beim Täter verbleiben. Nach der zugrundeliegenden Gesetzesbegründung soll der neue Entwurf vor allem einer vereinfachten, effizienteren, dem Opferschutz dienenden und lückenlosen Vermögensabschöpfung dienen und zuvor bestehende Schwächen ausmerzen und Lücken schließen. Parallel galt es, die betreffende EU-Richtlinie über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten umzusetzen.

Nach alter Rechtslage war der Zugriff des Staates auf Vermögenswerte, die aus Straftaten erlangt wurden, in den §§ 73 ff. StGB geregelt – unterteilt wurde zwischen Einziehung und Verfall. Entsprechende vorläufige Maßnahmen zur Sicherstellung von Vermögenswerten enthielten die §§ 111b ff. StPO. Mit dem neuen Gesetz gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen Verfall und Einziehung, stattdessen spricht man einheitlich von Einziehung. Im Zuge dessen wurde das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in den §§ 73 bis 76b StGB völlig neu geordnet. Bezugnehmend darauf enthält auch die Strafprozessordnung zahlreiche neue Regelungen. Dabei bleibt § 73 StGB die grundlegende materielle Vorschrift des Rechts der Vermögensabschöpfung – hier ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Einziehung zulässig ist. Für die Vermögensabschöpfung bei einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer (Drittbegünstigter) ist aus systematischen Gründen nun eine eigenständige Norm (§ 73b StGB) vorgesehen. Die rechtliche Wirkung der Anordnung der Einziehung regelt § 75 StGB.

Kein Vorrang von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten

Faktisch abgeschafft ist damit der Vorrang von Schadensersatzansprüchen von Tatgeschädigten, die der staatlichen Einziehung des Tatertrages nun nicht mehr entgegenstehen. Auch das bestehende Regelungskonzept der sogenannten „Rückgewinnungshilfe“, wonach eine Verfallsanordnung nicht erfolgt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde, ist abgelöst und soll von einem gerechteren und opferfreundlicheren Entschädigungsmodell zur Befriedigung von Ersatzansprüchen abgelöst werden. Die Ansprüche der Verletzten werden künftig grundsätzlich nach rechtskräftigem Abschluss oder außerhalb des Strafverfahrens befriedigt – differenziert wird hier zwischen einfach gelagerten und komplexen Fällen. Verletzter im Sinne dieser Vorschriften ist derjenige, dem aus der Tat ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder des Wertersatzes erwachsen ist.

Zusätzliche Kernpunkte der Reform sind die Konkretisierung der Bestimmung des Abschöpfungsumfangs (§§ 73 Abs. 1, 73e Abs. 1 StGB), die Ausweitung der erweiterten Vermögensabschöpfung (§ 73a Abs. 1 StGB), die Einführung eines von einer strafrechtlichen Verurteilung unabhängigen Abschöpfungsverfahrens für den Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus (§ 76a Abs. 4 StGB) und die Trennbarkeit der Abschöpfungsentscheidung von der Hauptverhandlung (§§ 422, 423 StPO).

„Brutto-Prinzip“ bleibt

Weiter beibehalten wird auch nach der Neuregelung das sogenannte „Brutto-Prinzip“, wonach sich das „erlangte Etwas“ gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB allein nach dem tatsächlich zugeflossenen Vermögenszuwachs bestimmt. Im Ergebnis bedeutet das, dass zwar das aus der Tat Erlangte einzuziehen ist, die Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers werden aber bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten abgezogen. Nicht berücksichtigt wird, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet wurde.

Einziehung trotz Verfahrenseinstellung möglich

Besonders interessant ist zudem, dass in § 76a Abs. 4 StGB ein Institut der selbständigen Einziehung geschaffen wurde, das eine Vermögensabschöpfung sogar dann zulässig macht, wenn eine bestimmte Straftat nicht im Einzelnen festgestellt werden kann. Werden Gegenstände in einem Verfahren wegen des Verdachts einer Katalogtat – vor allem aus den Bereichen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus – sichergestellt, kann trotz Einstellung dieses Verfahrens die Einziehung des Gegenstandes angeordnet werden. Voraussetzung dieser Maßnahme ist die Überzeugung des Gerichts, der Gegenstand rühre aus einer rechtswidrigen Tat her. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Tat im Einzelnen festgestellt wird; an die Überzeugung dürfen insoweit keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Diese Neuregelung sieht sich jedoch auch enormer Kritik ausgesetzt. Während viele Praktiker den Schritt als überfällig begrüßen, sehen Gegner darin eine faktische Beweislastumkehr und damit einen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Unschuldsvermutung.

Fazit

Insgesamt werden die Neuregelungen in weiten Teilen der Literatur begrüßt. Wie bei jeder Gesetzesreform melden sich jedoch auch zahlreiche Stimmen, denen die Änderungen nicht weit genug gehen oder die vorher diskutierte Regelungspunkte vermissen. Beispielhaft sei hier nur die nicht umgesetzte Idee eines Masseverfahrens oder die fehlende Verknüpfung zu dem Modell der Opferentschädigung nach § 46a StGB genannt. Grundsätzlich enthält die Reform der Vermögensabschöpfung aber eine deutliche Stärkung der Opferposition im Strafverfahren. Künftig werden Verletzte von Straftaten – etwa in Gestalt von Schneeballsystemen oder Vergehen gegen das Markenrecht – ihre Ansprüche einfacher geltend machen können. Abzuwarten bleibt dagegen, wie die Regelung über Vermögen „unklarer Herkunft“ in der Praxis Anwendung findet und ob diese in verfassungsrechtlicher Hinsicht halten wird.

Dieser Beitrag ist auch als Rechtstipp auf der Plattform anwalt.de erschienen.