Achten Sie darauf, was Sie verschicken! Neuer Straftatbestand „Verhetzende Beleidigungen“ (§ 192a StGB) geplant

Wie werden moralisch unangebrachte, strafrechtlich relevante Nachrichten und Aussagen im privaten Bereich sanktioniert? Und sollten solche private Nachrichten überhaupt strafrechtlich sanktioniert werden? Eine geplante Gesetzerweiterung könnte bald zu einer Welle neuer Strafverfahren führen.

Erst vor wenigen Wochen hat eine von Jens Lehmann versendete WhatsApp-Nachricht bundesweit Aufsehen erregt. Es handelte es sich um eine private Nachricht an einen anderen Fußballspieler, die vom Wortlaut her rassistisch verstanden werden konnte. Bezugnehmend auf einen Fernsehauftritt Herrn Aogos bei Sky fragte Herr Lehmann auf WhatsApp, ob Herr Aogo „eigentlich [Skys] qotenschwarzer“ sei. Diese Nachricht landete jedoch vermutlich aus Versehen direkt bei Herrn Aogo, der sie kurzerhand mit den Worten „WOW dein Ernst ? […] Die Nachricht war wohl nicht an mich gedacht !!!“ auf Instagram veröffentlichte. Doch während das Interesse der Medien an diesem „Skandal“ groß war, werden solche Nachrichten bislang strafrechtlich nicht sanktioniert. Dem soll nunmehr der neu geplante § 192a StGB („Verhetzende Beleidigungen“) entgegenwirken.

Bestehende Straftatbestände

Zur Sanktionierung von unangemessenen und/oder diskriminierenden Aussagen stehen für die Beurteilung des oben beschriebenen Verhaltens aktuell u.a. die Straftatbestände der Beleidigung und der Volksverhetzung zur Verfügung. Eine Beleidigung ist im Wesentlichen eine Aussage, die eine Person in ihrer Ehre verletzt. Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist hingegen erfüllt, wenn gegen einen Teil der Bevölkerung oder eine einzelne Person zu Gewalt oder ähnlichem aufgerufen wird.

Straftatbestand „Beleidigung“

Der Straftatbestand der Beleidigung findet sich in § 185 StGB:

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hierbei liegt der Fokus darauf, dass sich die Beleidigung gegen eine bestimmte Gruppe oder Person richtet und, dass sich diese in ihrer Ehre verletzt fühlen bzw. fühlt. Wird die Beleidigung z.B. öffentlich ausgesprochen, verschiebt sich der Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf bis zu zwei Jahren.

Straftatbestand „Volksverhetzung“

Den Straftatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt:

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

  1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
  2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
    1. a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
    2. b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
    3. c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
  2. einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 oder 4 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist der Versuch strafbar.

(7) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 5 und 6, sowie in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.

Dieser Straftatbestand ist zwangsläufig immer nur dann erfüllt, wenn die verhetzenden Aussagen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Dieses Kriterium ist bei privaten Nachrichten, eMails oder Briefen jedoch natürlich nicht erfüllt.

Strafbarkeitslücke

Die Nachricht von Herrn Lehmann war zwar direkt an Herrn Aogo gerichtet, aber auch nicht direkt beleidigend. Außerdem konnte die Nachricht zwar als rassistisch verstanden werden, wurde aber, zumindest von Herrn Lehmann, nicht öffentlich kundgetan. Aus diesen Gründen ist weder der Straftatbestand der Beleidigung noch der Volksverhetzung erfüllt – Lehmanns Handeln war also nicht strafbar.

In Anbetracht dieser Situation stellt sich also die Frage: Was passiert, wenn diskriminierende Aussagen ausschließlich privat versendet oder ausgesprochen werden oder wenn eine solche Aussage gegen keine bestimmte Person oder Gruppe gerichtet ist? Daraus ergibt sich natürlich auch die Frage, ob für diese Art von Delikten überhaupt ein Strafbedürfnis besteht.

Bisher gilt: Aussagen, egal ob beleidigend und/oder diskriminierend, die weder an eine bestimmte Gruppe oder Person gerichtet sind noch in irgendeiner Form öffentlich gemacht werden, sind nach der aktueller Gesetzeslage nicht strafbar.

Aus diesem Grund argumentieren nun verschiedene Politiker und Juristen, dass es eine Strafbarkeitslücke im Strafgesetzbuch gebe und,dass das Strafgesetz dementsprechend erweitert werden müsse. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht führte hierzu aus:

„Wir sind in der Verantwortung, jeden und jede in unserer Gesellschaft vor Anfeindungen und Ausgrenzung zu schützen. Wir müssen der Menschenverachtung von vornherein den Nährboden entziehen, und wo immer nötig, konsequent einschreiten.“

Der Fall von Jens Lehmann spielt bei einer erweiterten Betrachtungsweise keine nennenswerte Rolle. Ein aber immer wieder auftretendes Beispiel für unschöne Aussagen, die nicht strafrechtlich verfolgt werden können, sind Hassbriefe an religiöse oder ähnliche Vereine. Auch diese richten sich nicht immer gegen eine bestimmte Person oder Gruppe, weshalb sie grundsätzlich nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Sie sind aber auch nicht öffentlich, weshalb sie nicht volksverhetzend sein können.

Neuer Gesetzentwurf

Um die aufgezeigte Strafbarkeitslücke nunmehr zu schließen, wurde ein Gesetzesentwurf verfasst, der speziell diese Handlungen unter Strafe stellen soll. Der geplante neue § 192a StGB soll zukünftig „Verhetzende Beleidigungen“ sanktionieren. Hierbei soll insbesondere verhetzende Kommunikation unter Strafe gestellt werden, die ausschließlich direkt an Betroffene gerichtet wird, z.B. per Brief, eMail, SMS oder WhatsApp-Nachricht.

Der Gesetzentwurf zu § 192a StGB lautet wie folgt:

„Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Bei verhetzenden Beleidigungen handelt es sich um Aussagen, die eine bestimmte Gruppe oder einzelne Person wegen ihrer nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Herkunft, ihrer Weltanschauung, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung anfeindet, also beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Wichtig ist hier, dass der Straftatbestand der Beleidigung nicht erfüllt sein muss. Der Strafrahmen des neuen Paragrafen soll von einer Geldstrafe bis zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe reichen; er liegt damitvom Strafmaß zwischen einer Beleidigung und Volksverhetzung.

Strafbedürfnis?

Von Befürwortern der Gesetzerweiterung wird häufig argumentiert, dass aufgrund der zunehmenden Zahl oben beschriebener oder ähnlicher Fälle ein Strafbedürfnis und damit auch die Notwendigkeit für eine Erweiterung des Strafgesetzbuches besteht. Dem steht entgegen, dass eine Erweiterung des Gesetzes noch mehr Taten erfasst als die bislang existierenden Paragrafen, was zu einem Missverhältnis zwischen der freien Meinungsäußerung und der Strafbarkeit von rechtswidrigen Meinungsäußerungen kann.

Wenn durch eine Äußerung niemand spezifisches angegriffen wird und die Äußerung nicht das Potenzial hat, den öffentlichen Frieden zu stören, ist auch fraglich, ob solche Vergehen überhaupt strafrechtlich verfolgt werden sollten.

Selbstverständlich endet das Recht auf Meinungsfreiheit, sobald die Persönlichkeitsrechte anderer Personen negativ beeinflusst werden. Allerdings führt ein weiteres Gesetz zur Bekämpfung von nicht gesellschaftlich akzeptablen Aussagen zwangsläufig zu einer weiteren Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Besonders die Umstände, dass eine unter § 192a fallende Aussage weder einer bestimmten Person oder Gruppe zuzuordnen ist noch öffentlich gemacht wurde, zeigt, dass es sich um ein Vergehen handelt, bei dem es keine eindeutig zu identifizierenden Opfer gibt. Dies lässt es höchst fraglich erscheinen, ob solche Handlungen wirklich strafrechtlich verfolgt werden sollten oder ob das aktuelle Strafgesetzbuch nicht umfassend diesen Bereich sanktioniert.

Fazit

Sobald der Gesetzentwurf in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird, müssen Personen noch mehr aufpassen, wie und wem gegenüber sie bestimmte Aussagen kommunizieren. Grundsätzlich handelt es sich bei Vergehen die unter § 185, § 130 oder den neuen § 192a StGB fallen, um Antragsdelikte. Das bedeutet, dass die geschädigte Person oder Gruppe gegen den Täter (m/w/d) einen Strafantrag stellen muss. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass besonders in der Anfangsphase viele Verfahren auf Basis des neuen Paragrafen angestrengt werden.

Bild: Engin_Akyurt via Pixabay