In einem Fall mit einer von mir vor dem Landgericht Braunschweig mühsam erstrittenen Bewährungsstrafe verwarf der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig in der Revisionshauptverhandlung unter meiner Vertretung des Angeklagten mit Urteil vom 14.07.2025 – 1 ORs 20/25 – die gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage.
Nachfolgend die Entscheidung im Volltext:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 6. November 2024 werden verworfen.
Die Landeskasse trägt die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels und seine notwendigen Auslagen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist am 26. Oktober 2023 vom Amtsgericht Braunschweig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Braunschweig das Urteil des Amtsgerichts durch das angefochtene Urteil vom 6. November 2024 im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Verurteilte zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die weitergehende Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers hat die Kammer als unbegründet verworfen.
Gegen das Urteil vom 6. November 2024 haben sowohl die Staatsanwaltschaft am 8. November 2024 als auch der Nebenkläger am 13. November 2024 Revision eingelegt. Die schriftlichen Urteilsgründe sind dem Nebenklägervertreter am 17. Dezember 2024 und der Staatsanwaltschaft am 27. Dezember 2024 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 3. Januar 2025 hat die Staatsanwaltschaft die Revision mit der Verletzung materiellen Rechts begründet und zugleich auf den Strafausspruch beschränkt. Sie strebt die Verurteilung einer höheren Freiheitsstrafe unter Anwendung des Regelstrafrahmens des § 176c Abs. 1 Nr. 2a StGB an.
Der Beistand des Nebenklägers hat mit einem über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelten und am 17. Januar 2025 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Er ist der Ansicht, die Beweiswürdigung der Kammer zu der Frage, ob der Angeklagte mit seinem Penis in den Anus des Nebenklägers eingedrungen sei, sei widersprüchlich und lückenhaft.
Der Nebenklägervertreter beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 6. November 2024 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsstreits, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft beigetreten. Sie ist der Ansicht, die fakultative Strafmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Eine größere Nähe zur Tatvollendung sei nicht möglich. Wegen seines nicht vollständig erigierten Penis sei dem Angeklagten die Vollendung der Tat nicht möglich gewesen. Zudem stehe die Feststellung der Kammer, es habe sich um eine wenige Minuten dauernde Spontantat gehandelt, zu dem strafmildernd berücksichtigten Umstand, der Angeklagte habe keine Hilfsmittel verwendet, in Widerspruch. Auch weise die Strafzumessung im engeren Sinne Rechtsfehler auf. So habe die Kammer zu Unrecht strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte in Folge seiner Tat seine Wohnung verloren habe, da dies ein Nachteil sei, dessen Eintreten sich ihm hätte aufdrängen müssen. Schließlich genüge die Begründung der Kammer zum Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft Braunschweig das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 6. November 2024 im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückzuverweisen. Des Weiteren beantragt sie, die Revision des Nebenklägers als unbegründet zu verwerfen.
Der Verteidiger hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerfrei und beantragt, die Revisionen des Nebenklägers und der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
II.
Die statthaften Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers sind zulässig; sie sind insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 Abs. 1 StPO). Beiden Rechtsmitteln bleibt jedoch der Erfolg versagt.
1.
Die auf die allgemein erhobene Sachrüge des Nebenklägers hin vorzunehmende Überprüfung der Urteilsgründe in sachlich-rechtlicher Hinsicht deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehleer auf.
Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht.
Die Vollendung setzt beim schweren sexuellen Missbrauch (§ 176c Abs. 2a StGB) ebenso wie bei der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB) das Eindringen in den Anus voraus (Fischer, StGB, 72. Aufl., § 177, Rn. 128, 130). Das hat die Kammer beanstandungsfrei nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen können.
Die Beweiswürdigung ist in erster Linie Sache des Tatgerichts. Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn eine Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert werden, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist oder gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Juli 2008, 1 StR 654/07, juris, Rn. 18, m.w.N.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. Februar 2015, 1 Ss 13/15, juris, Rn. 6). Derartige Rechtsfehler zeigt die Revision des Nebenklägers nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die umfangreiche Beweiswürdigung der Kammer ist widerspruchsfrei und klar, sie ist weder lückenhaft noch verstößt sie gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Die Kammer hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere auch nach kritischer Würdigung der Aussage des Nebenklägers auf ihre inhaltliche Konstanz, die Überzeugung gewonnen, dass sich der Sachverhalt so wie festgestellt zugetragen hat, das Eindringen des Angeklagten in den Anus indes nicht zur Überzeugung der Kammer angenommen werden kann. Hierbei hat die Kammer auch die inkonstanten Punkte der Aussage des Nebenklägers herausgearbeitet und unter Berücksichtigung der damaligen Aussagesituation, nachvollziehbar gewürdigt. Weshalb die Kammer der Aussage des Nebenklägers in bestimmten Punkten Glauben schenkt, hinsichtlich der Frage, ob es zu einem Eindringen mit dem Penis in den Anus des Nebenklägers gekommen ist, ihre Zweifel – auch nach Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe – indes nicht zu überwinden vermag, hat sie nachvollziehbar dargelegt.
Soweit der Nebenkläger in seiner Revisionsbegründung auf seine Aussagen im Rahmen der erstinstanzlichen Verhandlung sowie weitere Aktenbestandteile verweist, mit denen er einen Widerspruch des Urteils zu begründen versucht, kann er damit nicht durchdringen. Eine entsprechende Verfahrensrüge hat er nicht erhoben. Auf die Sachrüge prüft der Senat allein die Urteilsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils.
Schließlich weist auch die konkurrenzrechtliche Einordnung der Kammer keine Rechtsfehler auf. Der Versuch des schweren sexuellen Missbrauch gemäß §§ 176 Abs. 2a, 22, 23 StGB steht im Verhältnis der Tateinheit zum vollendeten einfachen sexuellen Missbrauch nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. November 2002, 3 StR 318/02, juris, Rn. 2). Der Qualifikationstatbestand der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB (zur Tenorierung: BGH, Beschluss vom 5. Juni 2018, 2 StR 170/18, juris, Rn. 6; Hörnle in: LK, StGB, 13. Aufl., § 177 Rn. 200) steht zu §§ 176c Abs. 2a, 22, 23 StGB ebenfalls im Verhältnis der Tateinheit, um die Anwendung der Gewalt (vgl. zu einem ähnlichen Fall: BGH, Beschluss vom 4. Juni 2013, 2 StR 3/13, juris, Rn. 12 [zu § 177 Abs. 1 in der Fassung vom 13. November 1998]) zum Ausdruck zu bringen.
2.
Der Strafausspruch hält den Angriffen der Revisionen ebenfalls stand.
Die Kammer hat ihrer Strafzumessung zu Recht den Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB zugrundegelegt, da dieser im vorliegenden Fall – nach der Milderung des Strafrahmens des § 176c Abs. 1 StGB gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB – die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Der Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ist identisch mit dem Strafrahmen der zugleich verübten sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 5 StGB.
Die Entscheidung der Kammer, eine Verschiebung des Strafrahmens des § 176c Abs. 1 Nr. 2a StGB gem. §§ 23, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, weist keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Liegt ein Versuch vor oder ist das nach dem Grundsatz in dubio pro reo nicht auszuschließen, hat der Richter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob er den milderen Sonderstrafrahmen zugrunde legen will. Aus den Urteilsgründen muss hervorgehen, dass ihm die Möglichkeit der Strafmilderung bewusst war und dass er sie erwogen hat. Auch muss das Urteil verdeutlichen, von welchem Strafrahmen die Kammer ausgegangen ist. Die formelhafte Wendung, die Strafe sei wegen Versuchs gemildert worden, genügt nicht, denn sie gibt nicht zu erkennen, von welchem Strafrahmen ausgegangen und was der Milderung zugrunde gelegt worden ist (vgl. Murmann in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 23, Rn. 43).
Die Begründung für oder gegen eine Strafrahmenmilderung muss erkennbar machen, dass die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte Beachtung gefunden haben und in die Abwägung einbezogen wurden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Gesamtschau aller tat- und täterbezogenen Faktoren vorzunehmen, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. September 1989, 2 StR 353/89, juris, Rn. 12; Urteil vom 15. Juni 2004, 1 StR 39/04, juris Rn. 10; Urteil vom 22. November 2017, 2 StR 166/17, juris, Rn. 17).
Diesen Anforderungen ist die Kammer, auch eingedenk des begrenzten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs, nach dem die Entscheidung des Tatgerichts bis zu Grenze der Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2004, 1 StR 39/04, juris, Rn. 10; Urteil vom 22. November 2017, 2 StR 166/17, juris, Rn. 17), gerecht geworden.
Die Kammer hat alle wesentlichen Gesichtspunkte, die für oder gegen eine Versagung der Versuchsmilderung sprechen können, gesehen und gewertet.
Sie hat ausgeführt, sie habe zunächst die relative Nähe zum Taterfolg berücksichtigt. Der Angeklagte habe bereits den nackten Penis zwischen die nackten Pobacken des Kindes gedrückt und sein Glied dazwischen hin- und hergerieben. Gleichwohl habe sie (auch) in die Bewertung einbezogen, dass der Angeklagte bei der Tat nicht alle für die Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen unternommen habe. So habe er keine Hilfsmittel verwendet, habe nicht mit der Hand oder den Fingern nachgeholfen, was die Herbeiführung des Taterfolges hätte begünstigen können, sein Penis sei bei der Tat nicht vollständig erigiert gewesen und es habe sich insgesamt um einen wenige Minuten dauernden Übergriff gehandelt. Erschwerend hat die Kammer weiter berücksichtigt, dass sich der Übergriff im familiären und vertrauten Umfeld des Jungen ereignet habe, wobei der Angeklagte bewusst das Vertrauen des Kindes und dessen Mutter ausgenutzt habe. Daneben hat die Kammer auch die Tatfolgen für das Kind (Beeinträchtigungen in seiner Lebensführung in den darauffolgenden Wochen und Monaten, Traumtherapie, kurzfristiger Vertrauensverlust zu anderen ihm nahestehenden Personen (z.B. dem Großvater), nicht altersentsprechendes Sexualverhalten sowie die Folgen für die Eltern des Kindes berücksichtigt. Schließlich hat die Kammer erschwerend das deutlich unter der Schutzaltersgrenze liegende Alter des neunjährigen Kindes, die große Berührungsintensität, die Nichtverwendung eines Kondoms und die tateinheitliche Verwirklichung von drei Tatbeständen berücksichtigt, wobei insbesondere die durch das Festhalten des Jungen angewendete Gewalt den Unrechtsgehalt der Tat gesteigert habe, auch wenn das Kind allenfalls leichte Schmerzen verspürt habe.
Jedoch seien – so die Kammer – bei der anzustellenden Gesamtabwägung gewichtige Umstände für den Angeklagten zu berücksichtigen, nämlich dass es sich um einen spontan gefassten Tatentschluss gehandelt habe, der Angeklagte die Tat nicht vorbereitet und einen Tatort in der Öffentlichkeit gewählt habe, an dem Entdeckungsgefahr bestanden habe, so dass die Kammer die kriminelle Energie des Angeklagten als verhältnismäßig gering einschätze. Für den Angeklagten spreche weiter, dass er weder vor noch nach der Tat strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, die Tat längere Zeit (2 Jahre 5 Monate) zurückliege und sich der Angeklagte in der Berufungsverhandlung vollständig und uneingeschränkt geständig eingelassen habe, was zwar erst zu einem recht späten Zeitpunkt des Verfahrens geschehen sei, aus Sicht der Kammer aber auch die bereits stattgefundene Reflexion seines Fehlverhaltens zeige. Auch habe er Umstände der Tat eingeräumt, deren Nachweis ohne seine geständige Einlassung deutlich erschwert gewesen wäre. Er habe sich in der Berufungshauptverhandlung für die Tat entschuldigt und als Beitrag zur Wiedergutmachung des Schadens eine Zahlung von 6.000,- € angeboten. Er Habe freiwillig über den Zeitraum von zwei Jahren eine Psychotherapie absolviert, wenngleich es sich nicht um eine Sexualtherapie oder um eine Behandlung gehandelt habe, die allein auf eine spezifische Aufarbeitung des gegenständlichen sexuellen Übergriffs gerichtet gewesen sei. Indes sei auch der inkriminierte Sachverhalt im Rahmen der Behandlung zur Sprache gekommen, worin jedenfalls zum Ausdruck komme, dass der Angeklagte besonders haftempfindlich; aufgrund des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls habe ihm eine freiheitsentziehende Maßnahme unmittelbar gedroht. Schließlich sei die Tat auch für den Angeklagten nicht ohne Erfolg geblieben. Er habe seine Wohnung verloren und sei innerhalb der Verwandtschaft aufgrund der Tat weitgehend isoliert.
Wenn die Kammer nach alledem eine Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat, hat der Senat als Revisionsgericht dies hinzunehmen. Rechtsfehler, die ein Eingreifen durch den Senat ermöglichen und notwendig machen würden, lässt die Entscheidung der Kammer für eine Versuchsmilderung nicht erkennen.
Soweit die Staatsanwaltschaft meint, eine größere Nähe zur Vollendung eines schweren sexuellen Missbrauchs sei nicht vorstellbar, zudem habe die Kammer keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass dem Angeklagten überhaupt Hilfsmittel wie z.B. eine Gleitcreme zur Verfügung gestanden hätten, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Kammer hat in dem Zusammenhang u.a. auch darauf abgestellt, dass der Angeklagte weder seine Hand noch seine Finger zu Hilfe genommen habe, um – wenngleich das so von der Kammer nicht ausdrücklich bezeichnet wird, indes aus dem Zusammenhang geschlossen werden kann – entweder seinem Penis die richtige Richtung bzw. mehr Druck zu geben oder den Anus des Jungen zu weiten oder seine eigene Erektion zu verstärken. Dies wäre dem Angeklagten auch während des nur wenige Minuten dauernden Übergriffs möglich gewesen, so dass der von der Generalstaatsanwaltschaft gesehene vermeintliche Widerspruch nicht besteht. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft weiter darauf abstellt, dass der Penis des Angeklagten nach den Feststellungen der Kammer nicht vollständig erigiert war, es ihm mithin gar nicht möglich gewesen sei, eine Tatvollendung überhaupt zu erreichen, hätte er dazu – wie ausgeführt – seine Hand zu Hilfe nehmen können.
Soweit die Staatsanwaltschaft darauf abstellt, die Kammer habe außer Acht gelassen, dass der Nebenkläger mehrfach bekundet habe, der Penis des Angeklagten sei „in seinem Po“ bzw. „in dem Loch“ gewesen, verkennt sie, dass die Kammer dies ausweislich ihrer Beweiswürdigung gerade nicht feststellen konnte. Solche Umstände dürfen dann bei der Abwägung im Rahmen der Strafzumessung ebenfalls nicht verwendet werden. Gleiches muss für das subjektive Empfinden des Tatopfers gelten. Wenn eine Tat nach den Urteilsfeststellungen nicht vollendet worden ist, ist dies auch bei der Abwägung zugrunde zu legen. Unabhängig davon stellt die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer eigenen Abwägung, die sie in unzulässiger Weise an die Stelle der Kammer zu setzen versucht, allein auf die Nähe zur Vollendung der Tat ab und lässt sämtliche andere Gesichtspunkte außer Acht. Dies genügt der erforderlichen Gesamtabwägung jedoch gerade nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2013, 2 StR 353/13, juris, Rn. 5).
Der Staatsanwaltschaft ist hingegen zuzugestehen, dass die Kammer bei der Strafzumessung im engeren Sinne den Umstand, dass die Kindesmutter den Angeklagten aufgrund der Tat der Wohnung verwiesen hat, zu Unrecht als strafmildernden Umstand berücksichtigt hat, da solche Nachteile, die der Täter entweder bewusst riskiert hat oder die sich ihm aufdrängen musste, i.d.R. nicht zu einer Milderung führen (vgl. Fischer, StGB, 72. Aufl., § 46, Rn. 34d). Dass das Verhalten des Angeklagten die fristlose Kündigung eines – wohl bestehenden – Mietverhältnisses rechtfertigt, liegt auf der Hand. Der Senat kann jedoch aufgrund der zahlreichen weiteren strafmildernden Umstände, ausschließen, dass die Kammer ohne Berücksichtigung dieser Folge der Tat für den Angeklagten die Strafe höher als geschehen festgesetzt hätte.
Auch die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung gem. § 56 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB ist angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtsfehlerfrei. Bei der Entscheidung über die Strafaussetzung ist dem Tatrichter ein weiterer Beurteilungsspielraum zuerkannt, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2023, 6 StR 98/23, juris, Rn. 3, m.w.N.; OLG Braunschweig, Urteil vom 22. März 2023, 1 Ss 40/22, juris, Rn. 39). Hat das Tatgericht die für und gegen die Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt ist dessen Entscheidung vom Revisionsgericht auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre. Diesen Anforderungen ist die Kammer gerecht geworden. Sie hat im Rahmen der Prognose (§ 56 Abs. 1 StGB) insbesondere auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, seine sozio-ökonomischen Lebensbedingungen und auf die schon wenige Monate nach der Tat absolvierte Psychotherapie abgestellt sowie hinsichtlich § 56 Abs. 2 StGB zusätzlich auf die vergleichsweise hohe Geldsumme, die der Angeklagte zur Schadenswiedergutmachung angeboten hat.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO. Der Nebenkläger trägt gemäß § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO nur dann die notwendigen Auslagen des Angeklagten, wenn er „allein“ ein Rechtsmittel eingelegt hat. Daran fehlt es hier.
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